Israel..Mon Amour
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Gepriesen sei...
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Die Wurzel, die uns trägt …
oder: Gepriesen sei, der ewiges Leben gepflanzt hat mitten unter uns.


Meine Begegnung mit dem Judentum wurde mir zu einer Begegnung mit einem durch die Jahrtausende hindurch gelebten und bezeugten Glauben.
Ich begegnete dem von Gott angerufenen Menschen in seinem Ringen um seine Menschwerdung in einem ewigen und unendlichen von Gott geschaffenen Universum.
Ich begegnete dem Menschen in seinem Ringen um Erkenntnis, in seiner Auseinandersetzung mit den höchsten und heiligsten Empfindungen und Gedanken, deren er fähig ist.
Ich begegnete ihm bei seinen Siegen und seinen Niederlagen in diesen Kämpfen um sich selbst und seinen Mitmenschen.
Aber ich begegnete dabei vor allem   G o t t   und einem Volk, das wahrhaft zum   E w i g e n   V o l k e   wurde, nachdem es nach seinem Auszug aus Ägypten, „eine Generation vor der Landnahme … den entscheidenden Umbruch“ erlebt, „der sie für alle Zeiten aus dem allgemeinen Gefüge hebt; sie erfahren ihren Gott, der ihnen allen gemeinsam ist. Sie erfahren ihn wie die endgültige Enthüllung einer uralten Erbschaft. (…)
Es wird von diesem Tage an nicht mehr nackt in den Tag hinein gelebt, nach Laune, Zufall und Gutdünken. Es wird fortan die Tat des Alltages wesentlich gemacht, mit sittlichem Gewicht versehen, mit einem höheren Sinn ausgestattet. Es wird ihnen angeboten, sich mit dem Göttlichen zu verbinden.

Sie entschließen sich, ja zu sagen.“ (Josef Kastein, S. 27-28)

Mit diesem Bund hebt Gott sie heraus als SEIN Heiliges Volk und hebt sie   m i t t e n   hinein ins ewige Zentrum seiner Geschichte mit der ganzen Menschheit.

„Denn mein ist die ganze Erde.

Ihr aber sollt mir sein

ein Reich von Priestern,

ein heiliger Stamm.“

(Josef Kastein, S. 28)

Gott verlangt dafür nichts für sich selbst.

Was er verlangt, ist „das unbedingte Verhalten vom   M e n s c h e n   zum   M e n s c h e n  , und von ihm deshalb, damit der Mensch eine reine beseelte Kreatur werde.“ (Josef Kastein, S. 28-29)

Das ist der „Kern“ auch des Christentums „von dessen Glut die Strahlen unsichtbar genährt werden, die im Christentum sichtbar und vielgespalten in die Nacht der heidnischen Vor- und Unterwelt brechen.

Vor Gott sind so die beiden, Jude und Christ, Arbeiter am gleichen Werk.“ wie Franz Rosenzweig es formuliert, „Uns gab er ewiges Leben, indem er uns das Feuer des Sterns seiner Wahrheit in unserem Herzen entzündete. Jene stellte er auf den ewigen Weg, indem er sie den Strahlen jenes Sterns seiner Wahrheit nacheilen machte in alle Zeit bis hin zum ewigen Ende. (…)

Unmittelbare Schau der ganzen Wahrheit wird nur dem, der sie in Gott schaut. Das aber ist ein Schauen jenseits des Lebens. (…)

So sind wir beide, jene wie wir und wir wie jene, Geschöpfe grade um dessentwillen, daß wir nicht die ganze Wahrheit schauen. Grade dadurch bleiben wir in den Grenzen der Sterblichkeit.“ (Franz Rosenzweig, S. 462-463)


So habe ich im jüdischen Volk auch meine Heimat, meine Herkunft, meinen Ursprung gefunden.

Ich bin dabei der tiefen Weisheit eines Volkes begegnet, „daß alle Dinge im Exil sind, wandern und der Erlösung durch ihre Mitarbeit den Weg bereiten müssen.“ Wie Gershom Scholem es ausdrückt.

Ich erfuhr, was ich zuvor geahnt und bei den unheilvollen Verstrickungen meines eigenen Volkes gespürt hatte, daß es „unentrinnbare  Verstrickungen der Seelen gibt und „einen tiefen Wirkungszusammenhang“ in den Geschehnissen menschlichen Lebens. (G. Scholem, Von der myst. Gestalt, S. 237)

Und immer denke ich mit Schaudern an das biblische Wort vom Ärgernis, das Georg Büchner dem gescheiterten Danton in der berühmten Nachtszene des Dramas in den Mund legt:

„Es muß ja Ärgernis kommen, doch wehe dem, durch welchen Ärgernis kommt! – Es muß; das war dies Muß. Wer will der Hand fluchen, auf die der Fluch des Muß gefallen? Wer hat das Muß gesprochen, wer? Was ist das, was in uns lügt, hurt, stiehlt und mordet?“ (Georg Büchner, S. 33)

Ich möchte dieses Bibelwort an dieser Stelle nicht weiter vertiefen, sondern es so stehen lassen.

Für mich möchte ich nur eins unumstößlich sagen: Es gibt Schuld, für die es kein Verzeihen, keine Erlösung gibt und geben kann. Jedenfalls nicht aus meiner, aus menschlicher Sicht.

Wie Hitler, Göbbels, Himmler, Eichmann und ihre teuflischen Mittäter und Gesinnungsgenossen (und es kostet mich eine große Überwindung, diese Namen überhaupt zu schreiben) mit ihrer Schuld – mit ihrem – alles menschliche Maß sprengende – Verbrechen – vor der Ewigkeit und dem Ewigen stehen, das vermag nur Gott zu beantworten.

Es gibt Verbrechen, die soweit jenseits unserer menschlichen Begrifflichkeit, jenseits unserer menschlichen Vorstellungskraft stehen, daß sie auch unserem Verzeihen nicht mehr zugänglich sind – und auch nicht sein dürfen, machten wir uns nicht mitschuldig! – So wie die Täter einen Bereich jenseits aller Menschlichkeit, jenseits allen Menschseins betreten haben, einen Bereich, dem sie vielleicht entstammen, so haben sie sich selbst außerhalb jeder menschlichen Gemeinschaft und Menschlichkeit gestellt, indem sie Gott selbst und das Bild des Menschen als eines beseelten Wesens in menschlich nicht mehr faßbarer Weise lästerten und schändeten.

Ein Abgrund jenseits der Schöpfung.

Eine Anti-Welt, von ihnen geschaffen, ein Reich der Finsternis. Mit der vertrauten Sprache, dem vertrauten Laut, dem vertrauten Wort nicht mehr zu beschreiben.

Das Ende der Welt.

Das Ende aller Wahrheit, aller Güte, aller Schönheit, aller Liebe – allen Lebens.

Das Reich der Lüge, des Hasses – der Zerstörung.

Dort – wo
„der halbe Tod,
großgesäugt mit unserm Leben,
lag aschenbildwahr um uns her –

… wortblutgeboren
im Nachtbett …

… einer
war mein lebendiger Schatten“…

… wie Paul Celan die Sprachlosigkeit einer unsagbar erfahrenen Unmenschlichkeit dennoch – fast atemlos – zur Sprache bringt.
„Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts …"  (Paul Celan, Atemwende)

Wie klingen dagegen die Worte des 1922 ermordeten Walther Rathenaus: „Land, mein Land, du meine Liebe!“ Wenn er das märkische Land beschreibt…

Oder die Worte Heinrich Heines: „ … und meine Brust ist ein Archiv deutschen Gefühls.“ (R. Walter, S. 56 u. 55)


Ich war dem Judentum in der Welt und in Deutschland auf einer langen Wanderung durch die Geschichte begegnet. Und ich begegnete auch meinem eigenen Land nach langer Wanderung und einem langen selbstgewählten Exil, dessen Sprache gespeist war aus einer alles überschattenden und erdrückenden Schuld und dem Protest und den Waffen einer Kritik gegen Teilnahmslosigkeit, Dummheit, Unwissenheit, Untertanengeist, Spießbürgertum und selbstgefälliges Phlegma – und vor allem aus einem Entsetzen über die Trägheit und Härte der Herzen.
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